Das Starfinder Grundregelwerk, von Ulisses Spiele ist ein Ableger oder Spin-off vom Fantasy Rollenspielsystem Pathfinder von Paizo und ist ein Science Fantasy Roleplay Game. Die Welt von Golarion ist dabei verschwunden, aber gilt als die Wiege der Menschheit und anderer Völker. Brennpunkt innerhalb der sogenannten Paktwelten ist dabei die Absolom Station, eine Raumstation wo sich alle Völker einfinden.
Im ersten Moment fand ich es überraschend, dass man sich, neben dem obligatorischen Menschen, völlig anderen Völker zugewendet hat. Statt Elfen, Zwergen, Halblingen, etc – welche es im übrigen auch gibt und welche als spielbare Völker gelten – gibt es unter anderem die kleinen und verstohlen vorgehenden Ysoki, die reptiloiden und muskelbepackten Vesken, die insektoiden Schirren, die vierarmigen Kasathas, die technischen Androiden und die übersinnlichen Laschuntas. Andererseits gibt es dadurch aber die Möglichkeit, einen exotischen Flair zu vermitteln.
Dabei sollte man aber darauf achten, dass die Völker nicht nur zu Menschen mit anderen Werten werden. Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass man nur Elf, Zwerg, Halbling sagen muss, damit jeder Spieler sofort eine, zugegeben recht klischeehafte Vorstellung vom jeweiligen Charakter hat. Bei einem Kasathas oder Schirren hingegen erntet man nur verständnislose Blicke und es sind mehr Erklärungen notwendig. Auch ist es sicher schwerer in die Rolle zu schlüpfen, weil man selbst das Volk nicht gut oder gar nicht kennt. Im Kapitel über die Hintergründe der Paktwelten erfährt man ein wenig über die verschiedenen Völker, aber im Grunde gibt es nur recht spärliche Informationen.
Die Regeln
Jeder, der Pathfinder oder eine ähnliche Dungeons & Dragons Version gespielt hat, wird sich von den Regeln her sehr schnell zurechtfinden. Es gibt aber ein paar Änderungen, die vor allem darauf abzielen, die SF Atmosphäre zu stärken, oder das Spiel zu vereinfachen. So gibt es nur mehr zwei Rüstungsklassen, die Energetische Rüstungsklasse (ERK) und die Kinetische Rüstungsklasse (KRK).
Auch bei den Fertigkeiten gab es ein paar Änderungen. Während magische Gegenstand benutzen ersatzlos gestrichen wurde, gibt es neue Fertigkeiten wie Kultur, Computer, Biowissenschafften, Steuerung oder Technik. Die grundlegenden Prinzipien von Fertigkeitswürfen haben sich aber nicht geändert. Noch immer gilt, dass man auf einem W20 Wurf die Boni der Fertigkeit addiert, um damit einen Schwierigkeitsgrad zu erreichen. Eine der größeren Änderungen im Kampf ist dabei der Volle Angriff, welcher zwei Angriffe ermöglicht, die beide einem Malus von -4 unterliegen.
Etwas ungewohnt ist hingegen, dass Kampfmanöverbonus und -verteidigung nicht mehr vorhanden sind. Die verschiedenen Angriffe wie Entwaffnen oder Ergreifen werden direkt über einen Angriffswurf verrechnet. Auch bei den Trefferpunkten gibt es ein paar Änderungen. Es gibt Ausdauer, sowie Reservepunkte und die Trefferpunkte werden leicht anders berechnet. Auch wenn es andere Talente, Zauber, Fähigkeiten gibt, sind die grundlegenden Regelmechaniken diesbezüglich gleich geblieben. Die wenigen kleineren Änderungen sind durchaus sinnvoll. So wurde in unserer Spielgruppe keine der Änderungen abgelehnt oder missmutig aufgenommen.
Die Raumschiffe
Die auffälligste Veränderung gegenüber Pathfinder sind natürlich die Raumschiffregeln. Nett gemacht ist, dass alle an Bord beschäftigt sind. Bei unserem Raumkampf mit fünf Spielern hatten fast immer alle etwas zu tun. Man sollte sich aber zuvor ausmachen, wer welche Funktion übernehmen möchte und ein wenig darauf hinarbeiten. Der Raumkampf ist ein wenig komplizierter oder vielmehr ungewohnter als der übliche Pathinder Kampf und kann sich in die Länge ziehen, aber ist spieltechnisch durchaus gelungen. Es ist nicht so, dass man einfach auf den Spieler schaut, der mit den Bordwaffen umgehen kann und alle warten bis er den oder die Feinde vernichtet hat, man sollte, wenn möglich, immer gemeinsam vorgehen.
Ein Raumschiffkampf krampft in der Regel an zwei Einschränkungen. Man versucht einen dreidimensionalen Kampf auf zwei Dimensionen runterzubrechen und die Piloten und Bordschützen haben in der Regel den meisten Spaß. Was das erste betrifft, versucht man mittels Positionierung bei Starfinder entgegenzuwirken und was das zweite betrifft versucht man durch verschiedene Rollen wie Kapitän oder Techniker, ähnlich wie bei Warhammer 40.000: Freihändler, allen Spielern etwas in die Hand zu geben. So kann der Kapitän den anderen Spielern durch Motivationen und Befehlen Boni verleihen, der Techniker kann Energie umleiten oder Schilde verstärken, um das Raumschiff zu verbessern.
Es lohnt sich auf jeden Fall den Raumkampf gut vorzubereiten und dass sich die Spieler vorher absprechen, wer für welche Rolle gut geeignet ist. Was dem Raumkampf fehlt, ist eine taktische Komponente, auch wenn die Bewegungsregeln durchdacht sind, ist es vor allem hilfreich eine Lücke in den Schilden des Gegners auszunützen. Es fehlen aber einige Raffinessen, wie sie z.B. von Star Wars – Zeitalter der Rebellion benutzt werden.
Fast am meisten hat mich überrascht, wie schnell ich das doch mehr als 500 Seiten dicke Regelwerk durchgelesen hatte. Vieles, wie gesagt, kennt man bereits aus Pathfinder und ich habe dadurch einige Stellen einfach übersprungen. Einige Absätze habe ich mir nochmals ins Gedächtnis gerufen und es gibt eben auch ein paar Textstellen mit neuen oder geänderten Regelmechaniken.
Dungeon Crawling im Weltraum
Das Starfinder Grundregelwerk hat aber das Manko, dass man bei den Abenteuern fast zu schnell oder zu stark in die klassische Dungeon Crawl Schiene abrutscht. Es gibt zwar ein Kapitel zum Thema Spielleiten, aber ich finde, dass dieses Kapitel zu wenig auf die Thematik selbst eingeht und sich zu stark mit technischen Details wie dem Erstellen einer Begegnung, ob und wann man als SL schummeln sollte, oder wie man mit außergewöhnlicher Umgebung, regeltechnisch umgeht. Darunter sind neben Stürmen, Wüsten, oder großen Höhen natürlich auch verschiedene Atmosphären, unterschiedliche Himmelskörper und der Weltraum mit seiner kosmischen Strahlung und dem Vakuum selbst erwähnt. Aber ich hätte mir mehr Tipps gewünscht wie man die Besonderheit der Atmosphäre von Starfinder hervorhebt. Aber womöglich war man sich bei Paizo dieses Umstands bewusst und spricht im Regelwerk deshalb auch von Science Fantasy statt Science Fiction, auch wenn dies ein Literaturbegriff aus den 1950er ist.
Das Starfinder Grundregelwerk bietet auch erste Informationen über die Paktwelten. Einiges davon dürfte Besitzern des Pathfinder Almanach der Fernen Welten bekannt sein. Natürlich hat man die Informationen überarbeitet und angepasst, dafür sind sie auch kompakter geschrieben und nicht so ausführlich.
Die Magie
Außerdem bietet das Grundregelwerk auch Magie, wobei diese nicht 9 Grade umfasst, sondern nur 6 Grade. Die Klassen selbst werden, wie gewohnt, bis zur 20. Stufe geführt. Ein wenig umständlich und wohl auch gewollt fremdartig erscheint die Benennung der Klassen. So ist z.B. der Solarier eine Art schamanistischer Krieger, welcher ein großes Verständnis vom ewigen Sterben und der Wiedergeburt von Sternen besitzt. Grundsätzlich, auch wenn die einzelnen Klassen vielseitiger sind, decken sie verschiedene Möglichkeiten ab und sind recht gut ausbalanciert.
Das Starfinder Grundregelwerk ist aber ein völlig eigenständiges Regelwerk. Man braucht weder Pathfinder Vorkenntnisse, auch wenn sie den Einstieg in die Regeln wesentlich erleichtern, noch braucht man ein anderes Regelwerk als das Starfinder Grundregelwerk, um das Rollenspiel zu spielen. Es ist kein Quellenbuch, sondern ein völlig eigenes Rollenspielsystem. Es fehlt höchstens ein Abenteuer, aber da gibt es ja bereits den Abenteuerpfad Tote Sonnen, mit dem man gleich ins Weltraum-Abenteuer einsteigen kann.
Die Starfinder Grundregelwerk Aufstellersammlung enthält 100 einzigartige Kreaturenaufsteller, einschließlich Angehörigen der Grundvölker und -klassen, sowie bizarre fremdartige Monster. Außerdem enthält es auch 15 einzigartige Raumschiffmodelle aus dem Starfinder Grundregelwerk. Positiv ist, dass diese Sammlung die meisten Aufsteller mehrfach enthält. Auch wenn wir Figuren statt Aufsteller bevorzugen, gibt es doch recht wenige passende Figuren zu Starfinder, da schauen die Aufsteller schon recht schick aus.
Ulisses Spiele hat uns ein elektronisches Rezensionsexemplar für Review-Zwecke zur Verfügung gestellt.
Starfinder Grundregelwerk von Ulisses Spiele ist seit April 2018 als gebundene Ausgabe und als pdf erhältlich.