Das Erbe von Rutu Modan ist eine geschickte Verknüpfung von privaten Fragen mit der Geschichte ihrer Familie der Protagonistin des Comicbuches. Neben dem Generationenkonflikt wird auch die Vertreibung der Juden bzw. die Verarbeitung der Shoa zwei Generationen später thematisisert. Es ist kein leichter Comic, der aber mit leichter Hand und schwungvoller Feder erzählt wird.
Das Erbe ist eine spannende, vielschichtige und komplexe Erzählung. Die zentrale Frage ist was passiert, wenn man sich auf den Spuren der Vertreibung der Familie begibt. Wie kann Unrecht wieder gut gemacht werden und was ist wirklich wichtig? Das Thema behandelt zunächst die Rückführung von im Zweiten Weltkrieg enteigneten Immobilien an die ehemaligen Eigentümer und die damit verbundenen Folgen für die jetzigen Bewohner. Es ist ein Thema, das gerade auch heute in Österreich stark diskutiert wird. Doch das ist nur die Verpackung, freigelegt wird eine schicksalhafte Familien- und Liebesgeschichte, in die alle beteiligten Figuren der Erzählung verwickelt werden. Rutu Modan schafft es gleichzeitig mehrere Verwicklungen und Täuschungen in die Geschichte zu verweben. Die Protagonistin und ihre Erlebnisse sind schlüssig skizziert und es gibt durchaus spannende Handlungsbögen und unerwartete Entwicklungen. Rutun Motan erhebt nicht den mahnenden Finger, aber thematisiert den Holocaust auch nicht, stattdessen wird der Umgang der heutigen Generation mit dem Völkermord thematisiert und ansatzweise auch Kritik an einer Internetgeneration, welche Holocausttourismus als Event erleben möchte.
Das Erbe handelt von einer alte Hinterlassenschaft in Warschau. Eine ältere Dame, die vor den Nazis aus Polen geflohen ist, kehrt mit ihrer Enkelin nach vielen Jahren zurück, um – vordergründig – Anspruch auf ein altes Erbe zu erheben. Doch sie hat mehr auf der Agenda als nur das, es ist für sie auch eine sehr persönliche Reise in die eigene Vergangenheit und zu einem Mann, den sie einst liebte.
Das Erbe wurde von Rutu Modan geschrieben und gezeichnet. Rutu Modan hat Kunst studiert und war Mitherausgeberin der israelischen Ausgabe des MAD Magazins. Später hat sie auch Kinderbücher geschrieben und wurde für ihr Comic Exit wounds mit dem Eisner Award ausgezeichnet.
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- sehr behutsame Erzählung mit Tiefgang
- gelungene Darstellung der Protagonisten
- Der Zeichenstil unterstützt die schwungvolle Erzählung
- sehr ehrliche Erzählung
" cons="
- Manche Panels werden zu banal erzählt
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